Rechtstipps Deutsch/Schweizer Recht

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Vollstreck/Betreibung von Urteilen und Urkunden in der Schweiz

Vollstreckung deutscher öffentlicher Urkunden in der Schweiz

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    1. Vollstreckbarkeit

    Obwohl die Schweiz nicht in der EU ist, können deutsche öffentliche Urkunden in der Schweiz vollstreckt werden, wenn die Schuldner ihren Wohnsitz in der Schweiz haben. Die Vollstreckung – « Betreibung» im Schweizer Recht – ist auf Grund des (rev.) Lugano Abkommens, revLugÜ (mit Wirkung für die Schweiz ab 1. Januar 2011), möglich und richtet sich nach dem Schweizerischen Schuldbeitreibungs- und Konkursgesetz, SchKG.

    Vollstreckbare öffentliche Urkunden in diesem Sinne sind Urkunden, die von deutschen Behörden oder dafür befugten Stellen ausgefertigt wurden und nach deutschem Recht direkt bei dem Schuldner vollstreckt werden können. Ausdrücklich sind im revLugÜ noch ergänzend beurkundete Unterhaltsverpflichtungen und Prozessvergleiche als öffentliche Urkunden aufgeführt.

    Besondere Fälle sind deutsche notariell beglaubigte Schuldanerkenntnisse mit Unterwerfungsklausel, die im Rahmen eines Immobilienkaufs vereinbart wurden. Diese gelten nach der Rechtsprechung des Schweizer Bundesgesetzes auch als öffentliche Urkunden, die in der Schweiz betrieben werden können.

    Die Besonderheit der Betreibung in der Schweiz besteht darin, dass in der Regel in einem gerichtlichen summarischen Verfahren (also verkürzt) von dem zuständigen Schweizer Gericht die Vollstreckbarkeit der öffentlichen Urkunde rechtskräftig festgestellt werden muss. Diesem Verfahren geht der Antrag auf einen Zahlungsbefehl voraus, gegen die der Schuldner ohne Begründung Rechtsmittel einlegen kann, was in der Regel immer passiert.


    2. Voraussetzungen


    Für dieses summarische Verfahren auf Rechtsöffnung (Vollstreckbarkeit des Zahlungsbefehls) ist es notwendig, dass der ausländische Antragsteller einen Zustellungsbevollmächtigten in der Schweiz benennen muss, in der Regel einen Rechtsanwalt.


    Dem Antrag auf Rechtsöffnung muss die deutsche Urkunde im Original oder in einer beglaubigten Ausfertigung beigelegt werden, sowie eine Erklärung gemäss Anhang VI des Lugano Abkommens, Artikel 57 rev LugÜ. Diese Erklärung Anhang VI muss von dem zuständigen Notar oder der öffentlichen Verwaltung ausgefertigt werden, die die Beurkundung vorgenommen hat. Im Weiteren muss nachgewiesen werden, dass die Urkunde dem Schuldner förmlich – also durch Gericht, Gerichtsvollzieher oder Notar – zugestellt wurde.


    Da es in der Schweiz kein Rechtsberatungsmonopol für Anwälte gibt und kann jede natürliche Person oder Organisation Rechtsberatung anbieten. Sodass es als Zustellungsbevollmächtigter ausreicht, einen Treuhänder (Jurist) oder andere Organisationen/natürliche Person anzugeben. Hat der Schuldner seinen Wohnsitz in einem der ländlichen Kantone, ist es auf jeden Fall zu empfehlen, einen Anwalt einzuschalten. Vielfach sind diesen Gerichten ausländische Urkunden wenig vertraut, sodass eine detaillierte Erläuterung der Rechtsbegehren notwendig ist.


    3. Kosten


    Grundsätzlich fallen sowohl die Gerichtsgebühren als die Anwaltsgebühren in der Schweiz höher aus als in Deutschland und anderen EU-Staaten, sodass die Betreibung anzuraten ist, wenn der Schuldner noch zahlungsfähig ist und die Forderung einen erheblichen Umfang hat.


    Die Zahlungsfähigkeit des Schuldners kann relativ einfach geprüft werden. Bei dem jeweilig zuständigen kantonalen Betreibungsamt wird ein Betreibungsregister geführt. Darin sind sämtliche Vorgänge der Betreibung beginnend mit einem Zahlungsbefehl aufgezeichnet, auch wenn es zu keiner Vollstreckung gekommen ist. Voraussetzung für die Beantragung eines Betreibungsregisterauszugs ist lediglich die Glaubhaftmachung eines rechtlichen Interesses, zum Beispiel die Vorlage der öffentlichen Urkunde in Kopie.


    Eine weitere Möglichkeit, die Betreibungskosten niedrig zu halten, ist es, einen Teilbetrag der Gläubigerforderung aus der öffentlichen Urkunde als Zahlungsbefehl zu beantragen. Dies ist problemlos möglich und kann auch bei der Leistungsfähigkeit des Schuldners mit weiteren Zahlungsbefehlen auf die Restsummen erweitert werden.


    Bei den Schweizer Gerichtskosten ist zu beachten, dass für jegliche gerichtliche Handlung Gebührenrechnungen ausgestellt werden, die mit relativer kurzer Frist an die jeweilige Gerichtskasse zu zahlen sind. Häufig wird auch nur auf Vorkasse die Tätigkeit aufgenommen.


    4. Vollstreckung/Betreibung


    Liegt das Rechtsöffnungsurteil des Kantonsgerichtes vor, muss mit diesem Urteil beim zuständigen Betreibungsamt das sogenannte «Fortsetzungsbegehren» beantragt werden, also die Vollstreckung des Zahlungsbefehls aus der öffentlichen Urkunde, die durch das Gericht für Vollstreckbar erklärt worden ist. Die Betreibungshandlungen werden durch das Betreibungsamt durchgeführt und entsprechen in den wesentlichen Grundzügen der deutschen Zwangsvollstreckung.


    Eine Besonderheit gilt für Schuldner im Wirtschaftsrecht, also juristische Personen, gegen die die Betreibung dadurch eingeleitet wird, dass sie innerhalb einer Frist zur Zahlung der gesamten Forderung nebst Kosten aufgefordert werden. Bei Nichteinhaltung dieser Frist kann vom Gläubiger Konkurs beantragt werden. Im Gegensatz zur deutschen Konkursordnung hat der Gläubiger aber sämtliche Verfahrenskosten des Konkurses vorzuschiessen, bei Unklarheit über die Konkursmasse ein wirtschaftliches Risiko.


    6. Besondere Verfahren


    Entsprechend der deutschen Zwangsvollstreckung gibt es auch nach dem Schweizerischen SchKG die Möglichkeit, schon vor dem Zahlungsbefehl einen vorläufigen Arrest der Vermögenswerte zu erreichen, Art 271 ff SchKG. Dies setzt aber die genauen Kenntnisse der Vermögenswerte voraus.


    Handelt es sich bei dem Schuldner um eine Bank oder Finanzintermediäre nach der eidgenössischen Geldwäscheverordnung kann wegen der eidgenössischen Finanzmarktaufsicht oder entsprechender Aufsichtsbehörden Zahlungsdruck erzeugt werden.


    Äquivalent zur deutschen Zwangsvollstreckung kann der Schuldner Klage vor dem zuständigen Schweizer Zivilgericht gegen die Betreibung erheben, wenn er Einwendungen gegen die Vollstreckung geltend machen will. Wobei hier grundsätzlich bei den schweizerischen Zivilgerichten gilt, dass dem Schuldner nur Zahlungsaufschub gewährt wird, wenn durch die Zahlung der betriebenen Schuld seine wirtschaftliche Existenz gefährdet ist.


    Ist die Forderung des Gläubigers dem Grunde nach nicht berechtigt, kann Nichtigkeitsklage erhoben werden. Diese kann wahlweise beim Vollstreckungsgericht in der Schweiz oder als Feststellungsklage bei dem Landgericht des Gläubigers in Deutschland eingereicht werden. Dabei ist abzuwägen, aus welchen Gründen, welcher Gerichtsort vorzuziehen ist.


    7. Besonderheit Schuldanerkenntnis


    Hat ein Schweizer Schuldner ein Schuldanerkenntnis schriftlich abgegeben, kann diese Forderung, auch wenn die Schuldanerkennungserklärung keine öffentliche Urkunde ist, Gegenstand eines Zahlungsbefehls und eines Rechtsöffnungsverfahrens sein. Nach Art. 83 SchKG kann nach Rechtsvorschlag gegen den Zahlungsbefehl das gerichtliche summarische Verfahren auf eine provisorische Rechtsöffnung beim zuständigen Bezirksgericht anhängig gemacht werden. In diesem Verfahren hat der Schuldner nur die Möglichkeit, Einwendungen gegen die Schuld sofort in diesem Verfahren glaubhaft zu machen. Dieses Verfahren stellt daher eine Verkürzung des normalen Klageverfahrens auf Zahlung aus einem Schuldanerkenntnis dar.

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Vollstreckung Deutscher Gerichtsurteilen in der Schweiz

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    1. Vollstreckbarkeit


    Obwohl die Schweiz nicht in der EU ist, können deutsche rechtskräftige Urteile in der Schweiz vollstreckt werden, wenn die Schuldner ihren Wohnsitz in der Schweiz haben. Die Vollstreckung – « Betreibung» im Schweizer Recht – ist auf Grund des (rev.) Lugano Abkommens, revLugÜ (mit Wirkung für die Schweiz ab 1. Januar 2011) möglich und richtet sich nach den Schweizerischen Schuldbeitreibungs- und Konkursgesetz, SchKG.


    Für Urteile vor dem Januar 2011 kommt das Lugano Übereinkommen alt zur Anwendung, dass für die Schweiz ab 1. Januar 1992 in Kraft ist.


    Die Besonderheit der Betreibung in der Schweiz besteht darin, dass in der Regel in einem gerichtlichen summarischen Verfahren (also verkürzt) von dem zuständigen Schweizer Zivilgericht die Vollstreckbarkeit des Urteils rechtskräftig festgestellt werden muss. Diesem Verfahren geht der Antrag auf einen Zahlungsbefehl (ähnlich wie ein deutscher Mahnbescheid) voraus, gegen den der Schuldner ohne Begründung Rechtsmittel einlegen kann.


     


    2. Voraussetzungen


    Für dieses summarische Verfahren auf Rechtsöffnung (Vollsteckbarkeit des Zahlungsbefehls) ist es notwendig, dass der ausländische Antragsteller einen Zustellungsbevollmächtigten in der Schweiz benennen muss, in der Regel einen Rechtsanwalt. Dem Antrag auf Rechtsöffnung muss das deutsche Urteil im Original oder in einer beglaubigten Ausfertigung beigelegt werden, sowie eine Erklärung gemäß Anhang V des Lugano Abkommens, Artikel 54 rev LugÜ. Diese Erklärung Anhang V muss von der zuständigen Geschäftsstelle der Kammer des Gerichtes ausgefertigt werden, die das Urteil erlassen hat. Häufig ist den Geschäftsstellen diese Bescheinigung unbekannt, so dass der Kontakt zu dem jeweiligen Rechtspfleger des Landgerichtes gesucht werden sollte, der für die Auslandsangelegenheiten zuständig ist.


    Da es in der Schweiz kein Rechtsberatungsmonopol für die Anwälte gibt und kann jede natürliche Person oder Organisation Rechtsberatung anbieten. Sodass es als Zustellungsbevollmächtigter ausreicht, einen Treuhänder (Jurist) oder andere Organisationen/natürliche Person anzugeben. Hat der Schuldner seinen Wohnsitz einem der ländlichen Kantone, ist es auf jeden Fall zu empfehlen, sich einen Anwalt zu nehmen. Vielfach sind diesen Gerichten ausländische Urteile und Urkunden wenig vertraut, sodass eine anwaltliche Betreuung sinnvoll ist.


     


    3. Kosten


    Grundsätzlich fallen sowohl die Gerichtsgebühren als die Anwaltsgebühren in der Schweiz höher aus als in Deutschland und anderen EU-Staaten, sodass die Betreibung nur Sinn macht, wenn der Schuldner noch zahlungsfähig ist und die Forderung einen erheblichen Umfang hat.


    Die Zahlungsfähigkeit des Schuldners kann relativ einfach geprüft werden. Bei dem jeweilig zuständigen kantonalen Betreibungsamt wird ein Betreibungsregister geführt. Darin sind sämtliche Vorgänge der Betreibung beginnend mit einem Zahlungsbefehl aufgezeichnet, auch wenn es zu keiner Vollstreckung gekommen ist. Voraussetzung für die Beantragung eines Betreibungsregisterauszugs ist lediglich die Glaubhaftmachung eines rechtlichen Interesses, zum Beispiel die Vorlage des Urteils in Kopie.


    Eine weitere Möglichkeit, die Betreibungskosten niedrig zu halten, ist es, einen Teilbetrag der Gläubigerforderung aus dem Gerichtsurteil als Zahlungsbefehl zu beantragen. Dies ist problemlos möglich und kann auch bei der Leistungsfähigkeit des Schuldners mit weiteren Zahlungsbefehlen auf die Restsummen erweitert werden.


    Bei den Schweizer Gerichtskosten ist zu beachten, dass für jegliche gerichtliche Handlung Gebührenrechnungen ausgestellt werden, die mit relativer kurzer Frist an die jeweilige Gerichtskasse zu zahlen sind. Häufig wird auch nur auf Vorkasse die Tätigkeit aufgenommen.


     


    4. Vollstreckung/Betreibung


    Liegt das Rechtsöffnungsurteil des Kantonsgerichtes vor, muss mit diesem Urteil beim zuständigen Betreibungsamt das sogenannte «Fortsetzungsbegehren» beantragt werden, also die Vollstreckung des Zahlungsbefehls über das gerichtlich als vollstreckbar erklärte deutsche Urteil. Die Betreibungshandlungen werden durch Betreibungsamt durchgeführt und entsprechen in den wesentlichen Grundzügen der deutschen Zwangsvollstreckung.


    Eine Besonderheit gilt für Schuldner im Wirtschaftsrecht, also juristische Personen, gegen die die Betreibung dadurch eingeleitet wird, dass sie innerhalb einer Frist zur Zahlung der gesamten Forderung nebst Kosten aufgefordert werden. Bei Nichteinhaltung der Frist kann vom Gläubiger Konkurs beantragt werden. Im Gegensatz zur deutschen Konkursordnung hat der Gläubiger aber sämtliche Verfahrens kosten des Konkurses vorzuschießen, bei Unklarheit über die Konkursmasse ein wirtschaftliches Risiko.


     


    6. Besondere Verfahren


    Entsprechend der deutschen Zwangsvollstreckung gibt es auch nach dem Schweizerischen SchuKG die Möglichkeit, schon vor dem Zahlungsbefehl einen vorläufigen Arrest der Vermögenswerte zu erreichen, Art 271 ff SchuKG. Dies setzt aber die genauen Kenntnisse der Vermögenswerte voraus.


    Handelt es sich bei dem Schuldner um eine Bank oder Finanzintermediäre nach der eidgenössischen Geldwäscheverordnung kann wegen der eidgenössischen Finanzmarktaufsicht oder entsprechender Aufsichtsbehörden Zahlungsdruck erzeugt werden.


    Äquivalent zur deutschen Zwangsvollstreckung kann der Schuldner Klage vor dem zuständigen Schweizer Zivilgericht gegen die Betreibung erheben, wenn er Einwendungen gegen die Vollstreckung geltend machen will. Wobei hier grundsätzlich bei den schweizerischen Zivilgerichten gilt, dass dem Schuldner nur Zahlungsaufschub gewährt wird, wenn durch die Zahlung der betriebenen Schuld seine wirtschaftliche Existenz gefährdet ist.

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